Projekt „Westfälische Schätze der Musik“
Wien, Berlin, Dresden, aber Westfalen? Die großen Höfe in Wien und Mitteldeutschland, aber auch kleinere wie der pfalzgräfliche in Mannheim haben musikhistorisch sicherlich eine größere Bekanntheit erlangt. Allerdings wird Westfalen heute zu Unrecht nicht mehr als musikhistorisch und kulturell relevante Region wahrgenommen. Diese Einschätzung entspricht nämlich nicht der historischen Realität, denn gerade im 18. und 19. Jh. waren Komponisten und Musiker, die entweder aus Westfalen stammten oder hier wirkten, überregional bekannt und geschätzt.
Der Bogen spannt sich dabei von Johann Friedrich Klöffler über Maximilian Friedrich von Droste zu Hülshoff zu Bernhard Heinrich Romberg und Andreas Jakob Romberg sowie Anton Bernhard Fürstenau, um nur einige von vielen weiteren Komponisten zu nennen, die das Musikleben Westfalens von Rheda im Norden bis Bad Berleburg im Süden bereichert haben.
In Westfalen existierte in dieser Zeit eine ausgesprochen lebendige Musikkultur, die vor allem von den Familien des regionalen Adels wie den hochadeligen Familien der Fürsten zu Bentheim bzw. von Sayn-Wittgenstein, sowie den niederadligen der Grafen von Plettenberg sowie der Freiherrn von Korff und Ketteler sowie von Fürstenberg getragen wurde.
Die wohl bekannteste und bedeutsamste Pflegestätte der sinfonischen und konzertanten Musik in Westfalen war dabei der Steinfurter Bagno-Park mit seiner noch heute existierenden Konzertgalerie, wo nach dem Vorbild der Londoner Vauxhall Gardens in den Jahren 1776-1806 von den Grafen Carl und Ludwig zu Bentheim-Steinfurt Orchestermusik auf höchsten Niveau zur Unterhaltung der Landeskinder der Grafschaft Burgsteinfurt und ihrer ortsfremden Gäste auf die Bühne gebracht wurde.
Vor den Umbrüchen in der Folge der französischen Revolution spielte sich das Musikleben in Münster dagegen hauptsächlich in der fürstbischöflichen Hofkapelle ab; nach dem Wiener Kongress allerdings öffnete es sich für Bürger mit der Gründung des Musikvereins Münster, aus dem 100 Jahre später das Sinfonieorchester Münster sowie der Konzertchor Münster hervorgegangen sind.
Der wohl bekannteste Vertreter der Hofkapelle der Grafen zu Bentheim und Steinfurt aber war ihr erster Hofkapellmeister Johann Friedrich Klöffler (1725-1790), der am Burgsteinfurter Hof seit 1750 nicht nur das Orchester, sondern auch die Finanzverwaltung leitete. Seine Werke, darunter insgesamt 19 Sinfonien, wurden europaweit im Druck vertrieben und galten seinerzeit als gute Musik.
Maximilian Friedrich von Droste zu Hülshoff (1764-1840) war dagegen ein typischer Vertreter des westfälischen Landadels. Ursprünglich als zweiter Sohn einer Adelsfamilie zum geistlichen Beruf bestimmt, wählte er selbst den Beruf des Komponisten, Dirigenten und Musikschriftstellers, den er zeitlebens auf hohem Niveau, aber unter teilweise drückenden finanziellen Bedrängnissen ausgeübt hat.
Er verfügte dennoch über ein weitreichendes Netzwerk professioneller Kontakte und stand den Wiener Klassikern nahe, zum Beispiel als Freund des eine Generation älteren Joseph Haydn, der zu seinen Förderern zählte und seine 4. Sinfonie in Wien zur Aufführung gebracht hat. Darüber hinaus gehörte Hülshoff zu den Gründungsmitgliedern des 1819 ins Leben gerufenen Musikvereins Münster.
Die Vettern Bernhard Heinrich Romberg (1767-1841) und Andreas Jakob Romberg (1767-1821) wiederum traten bereits 1774 erstmals öffentlich auf – Andreas als Geiger und Bernhard als Cellist. Sie vereinten bis 1798 ihre Kräfte und unternahmen fast alle ihre Konzertreisen und Ortswechsel gemeinsam. Bernhard Romberg machte sich in ganz Europa als Cellovirtuose und Komponist einen Namen. Seine Schule für Violoncello erschien 1840 und zählt noch heute zur Standardliteratur für den Unterricht auf diesem Instrument. Über das Cellospiel hinaus komponierte er Opern, Sinfonien und kammermusikalische Werke. Andreas wiederum war primär als Komponist bekannt, obwohl er auch ein begabter Violinist war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts galten seine Kompositionen sogar denjenigen von Haydn, Mozart und Beethoven als gleichrangig.
Einen anderen Bereich betritt man mit Anton Bernhard Fürstenau (1792-1852). Er war der herausragendste deutsche Flötist in der Übergangszeit von der Traversflöte des 18. zur modernen Böhmflöte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Fürstenau komponierte und arrangierte überwiegend Werke für sein eigenes Instrument. Seine hauptsächlichen Wirkungsstätten waren Frankfurt und Dresden, wo er wesentlich von Carl Maria von Weber, mit dem ihn eine tiefe Freundschaft und intensive Zusammenarbeit verband, beeinflusst wurde. Fürstenau war zu Lebzeiten als reisender Flötenvirtuose von europäischem Rang bekannt. Im Bereich der modernen Querflöte ist er bis heute als Lehrer und Komponist anerkannt. So gehören etwa seine Etüden nach wie vor zum Standardrepertoire der Flöte.
Das Pro Musica Orchester Münster (e. V.) möchte mit seinen Konzertprogrammen in den nächsten Jahren an die Tradition der Musikpflege in Westfalen während des 18. und frühen 19. Jahrhunderts anknüpfen. Unsere Konzertreihe „Westfälische Schätze der Musik“ stellt einen Schritt zur Wiederentdeckung der Komponisten und Mäzene aus der Blütezeit der Musikgeschichte Westfalens dar, deren Werke idealerweise an Stätten ihres historischen Wirkens wieder aufgeführt werden sollen. Überliefert sind ihre Werke unter anderem in der in der Universitäts- und Landesbibliothek Münster und im Archivamt des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe in Münster.
Praktisch keine der oben genannten Kompositionen liegen heute noch in unmittelbar nutzbarer Form vor. Ihre Aufführung setzt die fachkundige Übertragung ihrer Originalquellen in moderne Partituren und Stimmenauszüge vor. Das Pro Musica Orchester Münster hat sich für diese Aufgabe die Zusammenarbeit mit Herrn Priv.-Doz. Dr. Daniel Glowotz vom Institut für Musikwissenschaft der Universität Münster gesichert, einem auf dem Gebiet der Musikgeschichte Westfalens des 18. Jahrhunderts ausgewiesenen Forscher.
Im Herbst 2025 hat diese Zusammenarbeit in Gestalt der Konzertreihe “Westfälische Schätze der Musik” mit Auftritten in Havixbeck und Münster erste Fürchte in Form der Aufführung von zwei Sinfonien von Johann Friedrich Klöffler sowie eine des zur gleichen Zeit in Burgsteinfurt tätigen Paul Heinrich Masch getragen. Weitere Konzertreihen mit dem Ziel, die Schätze westfälischer Musik dem Vergessen zu entreißen und den heutigen Zuhörern als interessante Auswahl anspruchsvoller klassischer Musik bieten zu können, sollen in den nächsten Jahren folgen. Unser Ziel ist dabei, zukünftig einmal jährlich im Herbst ein Konzert mit Werken von Komponisten aus Westfalen zur Aufführung zu bringen – sowohl in der Stadt Münster, als auch an ausgesuchten Orten im Münsterland mit besonderem Bezug zur Musikgeschichte dieser Region.
Das erste Konzert der Reihe „Westfälische Schätze der Musik“
8. & 15. November
Dionysiuskirche, Havixbeck
Schillergymnasium, Münster
